"Nachhaltigkeit kostet Rendite", "Nachhaltige Anlagen sind zu teuer und generieren zu wenig Rendite" oder "Nachhaltigkeit wirkt sich positiv auf die Rendite aus": Bei dieser Meinungsvielfalt ist es für Anleger schwierig, einen Standpunkt einzunehmen. Zeit, Klarheit zu schaffen.
Um die viel diskutierte Frage zu beantworten, ob denn Nachhaltigkeit und Rendite einen Widerspruch darstellen, wollen wir zunächst den Begriff „Nachhaltigkeit“ im Zusammenhang mit Geldanlagen näher beleuchten. Für viele Anleger bedeutet nachhaltiges Investieren, dass sie auf ethisch kontroverse oder schädliche Anlagen verzichten. Sie investieren zum Beispiel in keine Rüstungsfirmen oder Produzenten von Alkohol- und Tabakprodukten.
Nachhaltiges Investieren umfasst jedoch ein viel breiteres Spektrum an Bewertungskriterien und bedingt eine deutlich differenziertere Betrachtung von Anlagen. Ein moderner Ansatz in diesem Bereich zeichnet sich dadurch aus, dass eine Vielzahl verschiedener Kriterien analysiert und bewertet werden, zum Beispiel der Umgang eines Unternehmens mit seinen Anspruchsgruppen wie Kunden, Zulieferern oder Mitarbeitenden. Die Kriterien, die bei der Analyse berücksichtigt werden, unterscheiden sich je nach Branche und werden bei der Bewertung unterschiedlich gewichtet. Bei Energieunternehmen spielen Kriterien wie Treibhausgasemissionen oder der Verbrauch natürlicher Ressourcen beispielsweise eine wichtigere Rolle als bei Finanzunternehmen, bei denen die Corporate Governance des Unternehmens stärker zum Tragen kommt (siehe Abbildung).
Grafik: Einbezug unterschiedlicher Nachhaltigkeitskritierien für verschiedene Branchen
Nachhaltigkeitskriterien zeigen Risiken auf
Die verschiedenen Bewertungskriterien insbesondere im Energiebereich zeigen, dass sich diese meistens auf externe Effekte, sogenannte Externalitäten wie die Emission von Schadstoffen oder Treibhausgasen beziehen. Das heisst, Unternehmen gebrauchen oder missbrauchen natürliche Ressourcen, ohne dass sie für diese die gesellschaftlich anfallenden Kosten tragen. Aktuell werden mögliche Kosten für Umwelt- oder soziale Schäden bei der Preisfindung von Anlagen vom Markt gar nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Regulatorische oder rechtliche Veränderungen könnten Unternehmen in Zukunft jedoch zwingen, diese externen Faktoren zu internalisieren. Als Konsequenz würden die Kosten für das Unternehmen steigen und die Ertragserwartungen der Investments deutlich sinken.
Aus der obigen Überlegung lässt sich zudem schliessen, dass Investitionen in Firmen, die Umwelt- und Sozialthemen vorbildlich managen, weniger anfällig für sogenannte Eventrisiken sind. Prominentestes Fallbeispiel dafür ist die Explosion der Bohrplattform Deepwater Horizon (BP) im Golf von Mexiko 2010, aber auch der aktuell anhaltende Skandal um Abschalteinrichtungen in den Dieselmotoren im VW-Konzern.
Die Kehrseite der Medaille
Bevor wir nun auf die möglichen Implikationen der oben genannten Aspekte auf die Rendite einer Anlage zu sprechen kommen, treten wir nochmals einen Schritt zurück. Betrachten wir die Rendite von Anlagen vorerst, indem wir ein einfaches Verständnis von nachhaltigem Investieren anwenden und lediglich – wie eingangs erwähnt – kontroverse Aktivitäten ausschliessen. In diesem Fall zeigen Studien wie „The price of sin: The effects of social norms on markets”, dass Investitionen in sogenannte „sin stocks“ – also Anlagen von Unternehmen, die Alkohol oder Tabak produzieren oder Glücksspiel fördern – eine bessere Rendite als vergleichbare Investitionen abwerfen. Auch eine Untersuchung für den Norwegischen Staatsfonds ergibt eine Renditeeinbusse von rund 0.1 Prozent pro Jahr aufgrund des Ausschlusses kontroverser Aktivitäten.
Die Ergebnisse dieser Studien zeigen allerdings nur eine Seite der Medaille. Die entsprechenden Unternehmen unterliegen nämlich mehr oder weniger alle dem latenten Risiko, dass ihr Geschäftsmodell durch staatliche Regulierung, politische Veränderungen oder öffentlichen Druck grundlegend beeinträchtigt oder sogar verunmöglicht wird. Treten diese Risiken im Investitionszeitraum nicht ein, kann die erzielte Rendite durchaus ansprechend sein. Treten sie ein, ist mit Ertragseinbussen zu rechnen.
Weniger Risiken und mehr Rendite
Investitionen in Firmen mit einer guten und sehr guten Nachhaltigkeitsperformance gehen also mit geringeren Anlagerisiken einher – das belegen auch verschiedene Studien wie "Assessing Risk through Environmental, Social and Governance Exposures". Gute Nachhaltigkeitsperformance senkt jedoch nicht nur Risiken, sondern beeinflusst auch die Rendite von Geldanlagen positiv. Das zeigen zahlreiche wissenschaftliche Studien, wie im Report "From the stockholder to the stakeholder: How sustainability can drive financial outperformance" ersichtlich wird. Der Report hat über 200 Studien analysiert. 80 Prozent von ihnen zeigen, dass eine gute Nachhaltigkeitsperformance den Aktienkurs von Unternehmen positiv beeinflusst.
Nachhaltigkeit und Rendite stehen also nicht im Widerspruch. Bewerten Anleger oder Vermögensverwalter die Nachhaltigkeitsperformance ihrer Anlagen mit einem modernen, umfassenden Ansatz, ist es also durchaus möglich, Portfolios zusammenzustellen, die einen positiven Einfluss auf die Umwelt und Gesellschaften haben und gleichzeitig ein marktgerechtes Risiko-Rendite-Profil aufweisen. Aber auch ein Blick in die Zukunft lohnt sich. Im Bereich Nachhaltigkeit sind für Unternehmen weitere regulatorische Massnahmen zu erwarten. Diese werden die latenten Risiken bei Unternehmen mit schwacher Nachhaltigkeitsperformance erhöhen und sich wirtschaftlich negativ auswirken. Die Aufnahme von Nachhaltigkeitsaspekten in den Anlageprozess dürfte daher für Anleger und auch für Vermögensverwalter – im Hinblick auf ihre treuhänderische Pflicht gegenüber den eigentlichen Investoren – im besten Interesse sein.
Interessante weiterführende Literatur zum Thema:
Alexander Zanker ist bei LGT Capital Partners für das hauseigene Analysetool "ESG Cockpit" zuständig. Mit diesem wird auf Grundlage externer Daten eine Bewertung des Nachhaltigkeitsgrades für eine Vielzahl von Firmen weltweit sowie für Länder berechnet. Nach einem erfolgreich abgeschlossenem Studium der Physik an der Technischen Universität Stuttgart wandte er sich der Finanzwelt zu, in der er sich im Laufe der vergangenen Jahre intensiv mit vielen verschiedenen quantitativen Fragestellungen beschäftigt hat. Seine Freizeit geniesst er am liebsten zusammen mit seiner Familie, auf Reisen oder mit einem guten Buch.
Dieser Beitrag ist Teil einer Serie zum Thema "Nachhaltiges Investieren", die LGT in den kommenden Wochen in den Nachhaltigkeits-News veröffentlicht. Folgen Sie uns auf Linkedin, und Sie sind aktuell informiert, sobald ein neuer Beitrag erscheint.